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Scherzer Schrammelgitarre


Zustandsbericht und Biographie Scherzers



Der Kopf - gebeizt - ohne Mechanik

Das Instrument bekam ich in bedauernswertem Zustand vor vielen Jahren von einem Schüler geschenkt:
- Die Decke war brutal abgetrennt worden (ich hoffe nicht von ihm!).
- Die zahlreichen klaffenden Risse waren mit etwa 30 groben Pflastern einmal notdürftig geflickt worden.
- Die ehemals vorhandene Randeinlage war verschwunden, der Hals war irgendwann einmal äußerst grob abgeschliffen worden und der Korpus mit dem Zargen - aus extra dickem Ahorn - hatte sich verwunden und verbogen wie ein Korkenzieher.
- Der Hals wurde von jemandem von seiner schwarzen Farbe "befreit". Leider hat derjenige ziemlich viel Material dabei abgeschmirgelt.
- Der ursprünglich eingebaute Eisenstab zur Stabilierung der Korpusspannung fehlte.


Das vergilbte Label und eine provisorisch eingezogene Gewindestange

Mit anderen Worten: das Instument war purer Schrott. Nur das Label (s.o.) des bekannten Schrammelgitarrenbauers Scherzer hatte verhindert, dass die Gitarre auf dem Müll landete.


Die alte Decke mit bereits herausgelöstem Schalllochring

Die Decke war unrettbar verloren, weil das Material, das ursprünglich über den Reifchen den Kontakt zur Zarge herstellte einfach weggeschnitten worden war. Außerdem hatte irgendjemand sie einmal von oben abgeschliffen, so dass sie nun viel zu dünn war.

Unter rein wirtschaftlichen Aspekten machte eine Restaurierung dieser Reste eines Instrumentes eigentlich keinen Sinn. Nur weil ich wissen wollte, wie so etwas grundsätzlich vor sich geht, hat das Instrument jetzt seine Wiederauferstehung vor sich. Ich bin gespannt, wie die Gitarre später klingen wird!

Biographie SCHERZER

In: Zuth, Josef, Handbuch der Laute und Gitarre, Olms Verlag, Hildesheim 1978, Seite 244:

Scherzer, Johann Gottfried, berühmter Alt-Wiener Gitarrenmacher, geb. 1843 [hier irrt Zuth: das Geburtsdatum ist 1834 (wie sonst hätte er 1856 den Makarow Wettbewerb gewinnen können) - siehe Ferdinand Prochart, "Wiener Geigenbau im 19. und 20. Jahrhundert"], gest. 14. Jän. 1870, wahrscheinlich aus dem Vogtland eingewandert. Seine Werkstatt hatte er zu Wien in der Hundsturmerstraße Nr. 65, später Margarethenstraße Nr. 99; dort arbeitete "der kleine hagere Mann ohne Gehilfen und Lehrbuben" (Makarow, Selbstbiogr.) zum Teil für das Geschäft Staufers. Er stellte, wie dieser, allerlei Versuche zur Verbesserung des Gitarrebaus an, stand auch in Verbindung mit Physikern u. Gelehrten: er verfertigte Gitarren mit Doppelboden, zog Eisenstäbe im Resonanzkörper ein, um den Saitenzug der Baßgitarren (s. G. Ferrari) entgegenzuwirken, baute die Petzvalsche Gitarrenharfe (Sammlung der Wiener Musikfreunde). In einer Baßgitarre mit 5 Freisaiten stand der Zettel: "Joh. Gottfried Scherzer, vormals Stauffer in Wien, Margarethenstraße Nr. 99 anno 1859"; eine 12saitige Gitarre mit Doppelhals, eine 13saitige mit Bodenwölbung von 2,2 cm in der Längenmitte und eine 6saitige Gitarre mit einwärts geneigten Zargen (Boden kleiner als Decke) hat F. Nowy, Wien, ausgebessert.

Bisherige Restauration:

Neue Decke


Die alte Decke vor der neuen

Die neue Decke wurde anhand der sichbaren Details des schrottreifen Originals (s.o.) gezeichnet, die Stärken nahmen wir an vergleichbaren Instrumenten ab und die leicht beschädigte Schalllochverzierung entnahmen wir vorsichtig dem Original und setzten sie später in die neue Decke ein, die in der Maserung und Qualität der Originaldecke entsprechend ausgesucht wurde.
Der Saitenhalter, der im Original nicht mehr vorhanden war, wurde ebenfalls historischen Vorbildern entsprechend aus Ahorn nachgebaut, schwarz gebeizt und für den späteren Einbau vorbereitet.

Lack abgezogen


Der Korpus ohne Decke auf der Werkbank. Schön zu sehen: der "Spiegel" des Ahornbodens

Der Korpus hatte Wasserflecken und nachgebesserte Lackstellen, die eine gründliche Restaurierung nötig machten. Die Reinigung brachte nicht viel, so dass der komplette Lackauftrag entfernt werden musste.

Hals restauriert


Das Griffbrett - schon gebeizt, aber noch fehlen einige Bundstäbchen

Der Hals ist - wie bei den meisten Schrammelgitarren - abnehmbar. Der Substanzverlust durch das Abschleifen erschien mir verkraftbar und so habe ich ihn so belassen und wieder - wie damals üblich - schwarz gebeizt. Inzwischen ist auch die Mechanik bei der Firma Rubner in Markneukirchen gereinigt worden. Andreas Kienze, ein angehender junger Gitarrenbauer hat sie zuletzt mit wunderschönen Knochengriffen (die aussehen, als wären sie 100 Jahre alt!) in ihren jetzigen Zustand gebracht.
Die Saitenauflagen und sonstigen Anbauteile am Kopf waren verloren gegangen und mussten rekonstruiert werden. Ebenfalls verlorene Schrauben der Mechanik werden zur Zeit von einem Feinmechaniker nachgedreht, weil sie Sondermaße haben, die im Handel nicht erhältlich sind.

Korpus "gespannt" und lackiert


Der Korpus unter der Wärmelampe

Den Korpus haben wir einige Wochen lang eingepannt und mit Wärme und Feuchtigkeit langsam in die Nähe seiner ursprünglichen Form zurück gebracht.
Eine neue Schelllackschicht bringt jetzt den wunderschönen Farbton eines alten Ahorns zur Geltung.
Der stark gewölbte zweite Boden, der von hinten mit Schrauben am Korpus befestigt war, macht mir noch etwas Kopfzerbrechen, weil wir bis jetzt seine extrem starke Wölbung nicht reduzieren konnten. Eine spätere Montage würde das Instrument unter eine sehr starke Spannung setzen. Mal abwarten, was uns da noch einfällt.



"Hochzeit"


Die Decke ist aufgeleimt, aber der Rand ist noch überstehend

Inzwischen ist die neue Decke mit dem Korpus wieder verbunden worden. Die Randeinlage wurde der Schalllochverzierung entsprechende gestaltet.


So wird eine Randeinlage "eingebunden"

Der ehemals starke Verzug des Korpus ist nicht mehr sichtbar und mit dem provisorisch eingebauten Gewindestab zwischen Unter- und Oberklotz, mit dem man die ganze Konstruktion unter Druck setzen kann, lassen sich beim Abklopfen vielversprechende Klänge erzeugen. Es wird spannend!
Jetzt fehlt eigentlich nur noch der Steg und ein wenig Feinschliff


Unter Beobachtung

Zur Zeit stehen der fertige Korpus (der Steg ist längst aufgeleimt und der Schelllack ist schön langsam aufgebaut worden) und der Hals unter Beobachtung. Bis jetzt ist kein Verzug mehr aufgetreten. Die Aussicht, dass aus dem früheren Instrumentenschrott also wieder eine brauchbare Gitarre wird, steigt also zusehends.

Das einzige, was mir noch Sorgen bereitet, ist der zweite Boden, der mit Schrauben am Korpus befestigt war. Dieser extrem harte und dicke Ahornboden ist sehr stark verzogen und hat bisher allen Versuchen, ihn in seine alte Form zurückzubiegen, widerstanden. Ich werde es demnächst noch einmal mit viel Wasser und langer Wärmeeinwirkung versuchen.


Das Instrument wird übrigens nach der Fertigstellung zu verkaufen sein.


Redaktion: Johannes Tappert